Ich wurde kürzlich zu einem mittelständischen Unternehmen der Konsumgüterindustrie gerufen, bei dem sowohl der Ruf im Netz als auch die Umsätze trotz innovativer Produkte stetig schlechter wurden. Das Unternehmen schrieb nach sehr vielen erfolgreichen Jahren über einen längeren Zeitraum schon rote Zahlen; die Banken und Gesellschafter machten langsam Druck.
Insgesamt gesehen war der Verwaltungsapparat über die wirtschaftlich guten Jahre stark aufgebläht gewesen. Gehälter waren überdurchschnittlich gut und der Betriebsrat wenig verhandlungsbereit. Organisationsstrukturen wurden mit steigendem Erfolg nicht nachgezogen sondern einfach mit mehr Personal nachbesetzt; Geld spielte schließlich lange Zeit keine Rolle. So ergeht es im übrigen vielen lange Zeit erfolgreichen Unternehmen immer wieder! Geschäftsführer gehen offenbar von einem ewigen Erfolg aus.
Auffallend waren daher viele Optimierungspotenziale bei den Einnahmen und Ausgaben des Unternehmens, welche aber durch gezielte Maßnahmen schnell angepasst werden konnten und auch schnell Wirkung zeigten.
Bei der Untersuchung der Ursachen für den immer schlechter werdenden Ruf fiel auf, dass das Unternehmen ihren Kundenservice als reine Verwaltungsaufgabe ansah und daher dem Bereich “Finance & Accounting” zuordnete. In der Folge wurde der Fokus des Kundenservices nicht auf die Kundenzufriedenheit sondern auf die Prozess- und Budgetoptimierung gelegt. Ziel war es also, möglichst mit immer geringerem Budget auszukommen und den Kunden über einen starken Selfservice zu den Werkstätten zu leiten ohne sich mit dem eigentlichen Problem auseinander zu setzen. Insofern wurde ein Problem erst nach einer Berichterstattung in den Medien oder durch Hinweise der Werkstätten untersucht.
Dies konnte so gar nicht erfolgreich sein und der Ruf war durch die Zunahme der negativen Berichte schnell ruiniert! Viele Produktbereiche mussten daher über die Zeit eingestellt werden. Es fand gezwungenermaßen eine starke Fokussierung auf nur noch wenige Kernprodukte statt, um wieder in die schwarzen Zahlen zu kommen.
Große, erfolgreiche Unternehmen wie Amazon machen es vor: Sie behalten den Fokus auf dem Kundennutzen und entwickeln ihre Strukturen entsprechend.
Aber auch selbst wenn Sie ihre Prozesse nicht (nur) nach Kundennutzen ausrichten wollen oder können, so sollten Sie doch zumindest eines tun: Verstehen Sie Kundenservice als Marketingaufgabe!
Nutzen Sie die Rückmeldungen Ihrer Kunden und werten Sie sie aus. Eine Faustregel besagt, dass sich hinter jeder Beschwerde noch mindestens 20 weitere Kunden mit ähnlichen Problemen verbergen, die sich nicht direkt beschweren, aber dennoch in ihrer Umgebung und im Netz von ihren Problemen und Erfahrungen berichten. Nutzen Sie den Kundenkontakt zum Austausch mit ihren Kunden und für die Möglichkeit, ihr Handeln und Ihr Angebot zu erklären. Verbinden Sie es ggf. mit besonderen Angeboten oder einem besonderen “Danke-schön”.
Sie brauchen also eigentlich keine großen und millionenschweren Marktforschungen über die Wünsche ihrer Kunden in Auftrag geben, wenn ihnen ihre Kunden freiwillig über verschiedene Kanäle von den Erfahrungen berichten (wollen). Die sozialen Kanäle (wie Facebook, YouTube usw.) sind hierbei von großer Bedeutung.
Hinterfragen Sie zudem regelmäßig den Sinn oder Unsinn von Ihren Abläufen. Vereinfachen Sie wo immer es geht und behalten so den Überblück über ihre Abläufe.
Vor allem aber: Sehen Sie ihre Kunden nicht als Problem an – nutzen Sie sie und binden sie evtl. sogar in Entwicklungen mit ein (z.B. über Kundenbeiräte). Ihr Kunde wird es ihnen mit positiver Berichterstattung und weiteren Käufen danken.
Denken Sie mal darüber nach.
Ihr Oliver Böhm